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Russen foltern gefangene Zivilisten: „Serhiy V. wurden vor der Entlassung beide Füße amputiert“

Nach einem Gefangenenaustausch mit Russland werden entsetzliche Gräueltaten offenbar. Einem wurden die Zehen amputiert. Er hatte noch Glück. Sein Mit-Gefangener hat keine Füße mehr.

Die stellvertretende Premierministerin der Ukraine, Iryna Vereshchuk berichtet über schwere Misshandlungen von Gefangenen in Russland. “Bei diesem Austausch gab es schwer verletzte Menschen – amputierte Gliedmaßen, Sepsis und andere schwere Verletzungen”, sagte Vereshchuk. Vor wenigen Tagen wurde Nikita Horban (31) an die ukrainischen Behörden ausgeliefert. Er schildert drei grausame Wochen in russischer Gefangenschaft. „Nikita muss wieder gehen lernen, nachdem seine Zehen in Russland amputiert worden sind“, schreibt die BBC, die das Interview veröffentlichte.

Horbans Leidensweg begann Anfang März, als die russische Armee in Andriivka, einem kleinen Dorf westlich von Kiew, einmarschierte. Der Laborant in einem Kiewer Krankenhaus versteckte sich in einem Keller unter dem Garten mit seiner Familie. Horban berichtet, dass die Russen von Haus zu Haus gingen. “Es wurde geschossen, Menschen im Dorf wurden getötet, es war furchtbar.“

Man habe ihn und andere Männer aus dem Haus gezogen, ihnen die Augen verbunden und sie auf ein Feld geführt, um sie dort zu foltern. Horban hat eine Narbe an seinem Knöchel. Er glaubt, dass die russischen Soldaten sich mit einem Schraubenschlüssel an seinem Fußgelenk zu schaffen gemacht hätten, bis die Haut aufriss. Um ihn herum, hörte er Andere. Wie viele es waren, weiß er nicht.

Die Russen zogen ihnen die Stiefel aus, füllten sie mit Wasser und zogen sie wieder an. Dann wurden die Gefangenen gezwungen, sich mit dem Gesicht nach unten in der eisigen Kälte auf das Feld zu legen. “Wir lagen drei oder vier Nächte lang so im Regen, und es wurde immer kälter”, sagte der Ukrainer.

Schließlich wurden sie vom Boden hochgezogen und auf Lastwagen verladen. Mit verbundenen Augen fiel es Horban schwer, die verstrichene Zeit einzuschätzen. Irgendwann wurden sie mit einer anderen Gruppe von Gefangenen zusammengeführt und in Hubschrauber verladen, dann weiter in ein Frachtflugzeug. Sie wurden in ein Internierungslager gebracht. Erst jetzt nahm man ihnen die Augenbinden ab.

Als der 31-Jährige seine Füße sehen konnte, waren seine Zehen bereits schwarz. Horban wusste, dass er sich durch die Kälte schwere Erfrierungen zugezogen hatte, und bat um ärztliche Hilfe.

Im Feldlazarett trockneten und verbanden sie seine Zehen, aber das war auch schon alles. Sie zogen ihm die Stiefel wieder an. Nach wenigen Tagen ging es in ein Prügelgefängnis. “In der ersten Nacht merkte ich, dass ich meine Füße weder spüren noch kontrollieren konnte”, erinnert er sich. “Und sie hatten angefangen, schrecklich zu stinken. Anderen erging es ähnlich düster. Einige verloren später ganze Gliedmaßen. Die Versorgung im Gefängnis war minimal – eine Antibiotikaspritze und Verbandswechsel alle drei Tage.

Sie wurden gezwungen, russische Hymnen zu singen und Dokumente zu unterschreiben. Zwei- oder dreimal am Tag gab es Verhöre und Schläge, schildert der Überlebende. Nach drei Wochen im Gefängnis hatte sich der Zustand von Nikitas Füßen dramatisch verschlechtert, und er wurde schließlich mit zwei anderen ins Krankenhaus verlegt. Seine Zehen „waren in einem so schlechten Zustand, dass bei der Untersuchung einer meiner Zehen einfach abfiel”, erzählt Horban. Ein Chirurg amputierte das tote Gewebe.

Nach der Operation verbrachte er eine Woche im Krankenhaus, bevor ihm ein Beamter mitteilte, dass er und mehrere andere schwer verwundete Männer nach Hause geschickt würden, “damit sich Ihre Familien um sie kümmern können”.

Das sollte sich bewahrheiten. An einem vereinbarten Treffpunkt legten die Russen die Verwundeten auf Bahren auf die Straße und gingen weg, und ukrainische Soldaten kamen und holten sie ab. Nach einer langen Reise mit dem Krankenwagen quer durch das Land wurde Nikita von seinen Kollegen in einem Kiewer Zivilkrankenhaus empfangen.

Laut Vereshchuk hätten die Russen versucht, zivile Geiseln gegen russische Militärgefangene in der Ukraine auszutauschen – ein Vorgehen, das nach der Genfer Konvention verboten ist. “Wir wissen, dass es dort mehr als tausend Geiseln gibt – darunter fast 500 Frauen. Wir wissen, dass sie sich in Gefängnissen und Untersuchungshaftanstalten in Kursk, in Briansk, in Riazan, in Rostow befinden.”