Seit Wochen blicken wir gespannt auf die Situation in den Krankenhäusern. Dabei gibt es noch eine wichtige Front, an der Corona bekämpft wird. In vielen Bundesländern ist sie schon verloren: Die Gesundheitsämter geben die Kontaktverfolgung auf. Die Pandemie bekommt damit eine neue Dynamik.
Die Verbandschefin für Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst warnte, dass Covid-19 sich von nun an „schneller und heftiger ausbreiten“ könne. Schuld daran sei nicht nur die mutmaßlich ansteckendere Variante Omikron, sondern auch die Überlastung der Gesundheitsämter. „In weiten Teilen Deutschlands“ könne man nicht mehr nachvollziehen, welche Personen ein Infizierter möglicherweise angesteckt habe. „Diese Personen können nicht mehr erreicht werden und tragen das Virus immer weiter, und zwar rasend schnell“, resümiert Teichert.
Die Zahl der täglichen Neuinfektionen ist vielerorts so hoch, dass ihre Nachverfolgung außer Kontrolle geraten ist. Wenn die Infizierten nicht selbst ihre Kontakte beschränken oder warnen, werden noch mehr Menschen noch schneller angesteckt und die geben es wieder unwissentlich weiter.
In vielen anderen Ländern ist das schon längst Normalität. In Deutschland wurde die „gesicherte Kontaktverfolgung“ bisher stets bewahrt. Der ehemalige Gesundheitsminister Jens Spahn hatte das immer wieder betont. Auch RKI-Chef Lothar Wieler mahnte eindrücklich, dass es „nicht der richtige Weg“ sei, die Kontaktverfolgung aufzugeben.
Laut Reichert, die für 2500 Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und etwa 400 Gesundheitsämter spricht, ist genau das nun passiert. „Das gilt etwa für Sachsen, Baden-Württemberg und Berlin, aber auch für andere Regionen“, sagt sie und gibt zu: „Das Ziel, mit der Kontaktverfolgung Infektionsketten zu durchbrechen, ist nicht länger haltbar.“ Dies sei „gerade mit Blick auf die Omikron-Variante (…) absolut besorgniserregend“, findet die Ärztevertreterin.
„Focus Online“ fragte beim Ärzteverband Öffentlicher Gesundheits¬dienst in Bayern nach. Verbandschef Andreas Kaunzner betätigte die Aussage der Bundesvorsitzenden. Auch er findet deutliche Worte: „Das Ziel, die Pandemie über die Kontakt-Nachverfolgung einzudämmen, ist nicht mehr erreichbar“, sagt Kaunzer und erklärte, dass die Gesundheitsämter das bei Inzidenzen von 200 oder 300 noch geschafft hätten, „jetzt, wo der Wert in vielen Regionen um die 1000 liegt, nicht mehr.“ Die Gesundheitsbeamten würden sich jetzt nur noch auf die Kontaktverfolgung in sensiblen Bereichen konzentrieren, das sind Alten- oder Pflegeheime und Krankenhäuser. Wie sich das Virus in Familien, Firmen und Vereinen verbreitet, können die Behörden nicht mehr nachvollziehen.
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