Europäische Hochwasser-Experten werfen den deutschen Behörden grobes Versagen vor. „Dass im Jahr 2021 so viele Menschen in einer Flut sterben“, macht die Beobachter aus dem Ausland „fassungslos“. Der Grund: Schon Tage vor der Katastrophe lag eine „extreme Flutwarnung“ vor. Ihre Bedeutung oder die Meldung selbst kam jedoch bei den Betroffenen nicht an.
Die Bilder aus Erftstadt und Ahrweiler gingen um die Welt. Neben Entsetzen und Mitgefühl lösen sie auch Fassungslosigkeit aus. Für europäische Experten ist schwer verständlich, warum die deutschen Behörden nicht schon vor der Katastrophe reagiert haben. Denn deutliche Warnungen lagen vor. Sie kamen nur offensichtlich nicht bei den Betroffenen an.
Trotz präziser Vorhersagen des Europäischen Hochwasserwarnsystems EFAS wurden Hunderttausende nachts von den Wassermassen überrascht. Mehr als 100 Menschen schafften es nicht, sich in Sicherheit zu bringen. Sie wurden in Kellern vom Wasser eingeschlossen oder von den Fluten mitgerissen.
Hannah Cloke von der britischen Universität Reading spricht von „erheblichem Versagen“ des deutschen Alarmsystems. „Ich hätte erwartet, dass Menschen evakuiert werden“, berichtet die Hydrologin im Interview mit der britischen Zeitung „The Times“. Das EFAS habe deutsche Behörden schon Tage zuvor auf das Risiko einer Flut der „extremen Kategorie“ hingewiesen. Daraufhin habe man dem Bund detaillierte Diagramme übermittelt, die präzise vorhersagten, wo Hochwasser zu erwarten sei. „Normalerweise, wenn Lebensgefahr besteht und man weiß, wo dies der Fall sein wird, richtet man sich auf Evakuierung ein“, sagt die EFAS-Mitbegründerin. Dazu bestehe zwar keine gesetzliche Verpflichtung, das sei jedoch die Kernaufgabe des Katastrophenmanagements.
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Außerdem hätten die Bilder vor Ort ihr gezeigt, dass die Bürger nicht darüber informiert waren, was diese Warnung bedeute. Sie habe Menschen gesehen, die durch die Fluten waten oder fahren. „Das ist so ziemlich das Gefährlichste, was man bei einer Flut tun kann“, so Cloke und „Die Leute hätten Warnungen erhalten sollen. Die Leute sollten die Warnungen verstanden haben. Es nützt nichts, riesige Computermodelle zu haben, die vorhersagen, was passieren wird, wenn die Leute nicht wissen, was sie bei einer Flut tun sollen.“
In der Kritik steht nun auch der Deutsche Wetterdienst DWD, der die EFAS-Warnung ebenfalls erhalten hat. Dem ZDF sagte ein DWD-Sprecher, man habe einen Tag vor der Katastrophe genau darauf hingewiesen, dass Überflutungen drohen und „vor Regenmengen von bis zu 200 Litern pro Quadratmeter gewarnt“. Doch diese Warnungen seien „nicht von allen Medien“ geteilt worden.
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