Massive Zweifel an Inzidenz: Warum den Zahlen nicht getraut werden kann

Auch wenn es aufgrund der sinkenden Sieben-Tage-Inzidenz nach einer Entspannung der Situation aussieht, ist dies aber noch lange nicht der Fall, so die Chefin der Amtsärzte, Ute Teichert. Verzögerungen verzerren die Zahlen, denn die Mitarbeiter der Ämter sind derzeit am Limit.

Aufgrund der schieren Masse an neuen Infektionen arbeiten die Gesundheitsämter in der Bundesrepublik derzeit am absoluten Limit. Dies sagte die Verbandschefin der Amtsärzte und fügte hinzu, dass die derzeit vorliegenden Zahlen nur ein Teil aller positiven Ergebnisse darstellen.

Eine zeitnahe Meldung der neuen Corona-Infektionen an das Robert-Koch-Institut kann derzeit nicht garantiert werden, da die regionalen Gesundheitsämter wegen der Häufung der Fallzahlen schlicht überfordert sind. Dies führt dazu, dass die Sieben-Tage-Inzidenz doch erheblich in Zweifel gezogen werden müsse und somit von einer Entspannung aller Voraussicht nach nicht die Rede sein könne. Aktuell wird der Wert für den heutigen Mittwoch mit 442,9 angegeben, was eine Verringerung gegenüber den letzten beiden Tagen bedeuten würde.

Teichert sagte, dass die Ämter dringend mehr Personal benötigen würden, um die Lage im Blick halten zu können. „Da muss jetzt etwas passieren. Ich sage das ja schon lange, aber jetzt ist es an der Zeit, dass noch mal deutlich zu wiederholen.“ Eine effektive Nachverfolgung von Kontakten und Quarantäneanordnungen könne nur so wirksam gesichert werden.

Die Chefin aller Amtsärzte forderte daher, dass alles Mögliche getan werden müsste, um die Situation zu verbessern. Gegenüber der „Rheinischen Post“ sagte sie, dass auch die Bundeswehr hier wieder aktiv tätig werden könnte, denn in den vergangenen Monaten hatte diese ihre Fähigkeiten zur Bewältigung der Krise schon unter Beweis gestellt. Aber auch andere Bevölkerungsgruppen, etwa Studierende oder Mitarbeiter aus anderen Teilen der Verwaltung sollte hinzugezogen werden.

Gleichzeitig sprach sie sich für Kontaktreduzierungen in erheblichen Ausmaß aus. „Wir sind lange über den Punkt hinaus, wo wir das differenzieren könnten. Das Virus verbreitet sich unkontrolliert in der Bevölkerung und wir haben keinen Durchblick mehr, wo die Erkrankungen am meisten weiterverbreitet werden.“

Dass es zu einer Fehleinschätzung der aktuellen Zahlen kommen kann, haben Experten schon an anderer Stelle genannt. So sagte Michael Müller, Vorstandschef des Verbands Akkreditierte Labore in der Medizin (ALM), dass er ausdrücklich davor warnt, einen Trend aus den derzeitigen Zahlen abzuleiten. Denn auch die Labore, die die Auswertung der Tests vornehmen, arbeiten derzeit an der absoluten Grenze, teils schon darüber hinaus. „In Ländern wie Sachsen, Bayern, Baden-Württemberg oder Thüringen steht die Ampel nun schon seit längerer Zeit wieder auf Rot.“ Allerdings sind es diesmal nicht die Tests, die fehlen, sondern es ist nicht ausreichend geschultes Personal vorhanden. Zusätzlich müsse der Fokus viel stärker auf die medizinische Notwendigkeit gelegt werden, so der Verbandschef.