Nachdem der größte Vermieter in Deutschland, die Vonovia Wohnungsgesellschaft, in den vergangenen Tagen vor massiven Nachzahlungen bei den Gasrechnungen warnte, kommt nun noch ein Streit über die mögliche Verteilung des dringend benötigten Brennstoffes hinzu.
Es steht die Frage im Raum, wer als erstes auf Gas verzichten sollte, wenn der Lieferstopp aus Russland tatsächlich erfolgt. Bislang sind die privaten Haushalte durch das EU-Parlament und den EU-Rat besonders geschützt, doch stellen die mächtigsten Bosse der Energieriesen in Deutschland dieses Prinzip infrage. Nach deren Ansicht sollte die Industrie bei der Versorgung mit Energie den Vorrang erhalten. Dies fordert unter anderem der Aufsichtsratschef von E.on, Karl-Ludwig Kley.
Im „Manager-Magazin“ mahnte er die Politik dazu an, „sehr ernsthaft darüber nachdenken, ob sie die Reihenfolge nicht umdreht und erst bei Privaten abschaltet und dann bei der Industrie“. Das bedeutet für ihn, das Bürger im Winter im schlimmsten Fall frieren sollten. „Wäre es besser, wenn Firmen die Produktion einstellen müssen und Menschen dadurch ihren Arbeitsplatz verlieren?“
Auch aus der Politik waren vereinzelt ähnliche Stimmen zu vernehmen. So hatte der Ministerpräsident von Brandenburg, Dietmar Woidke, Schätzungen noch als „Untertreibung“ bezeichnet, wonach ein Liefer-Stopp von Öl und Gas bis zu drei Millionen Arbeitsplätze gefährde. Auch der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, sieht die Zeit des uneingeschränkten Schutzes von Privathaushalten als überholt an, sollte es zu einer Gasnotlage kommen. Die Regelung wurde in der Vergangenheit getroffen, als niemand davon ausgehen konnte, dass ein Inferno wie in der Ukraine jemals zu Versorgungsengpässen führen könnte. Daher müsse man sich einer solchen Diskussion stellen, so der Behördenchef.
Eine ähnliche Aussage kommt auch vom Chef der Landesvereinigung der NRW-Unternehmensverbände.
„Private Haushalte müssen gleichgesetzt und -behandelt werden wie die Industrie.“ Die Begründung von Arndt G. Kirchhoff: „Was hilft es, wenn die Arbeiter zu Hause sitzen im Warmen, und die Arbeitsplätze sind weg?“
Aus der Politik folgt umgehend Kritik von allen Parteien. So sollte die Wirtschaft für den Menschen da sein und nicht umgekehrt, sagte SPD-Bundestagsabgeordneter Ralf Stegner. Eine Änderung der Priorisierung gehe gar nicht. „Es muss noch mal sensibel diskutiert werden, wo welche Einsparungen vertretbar sind. Aber klar ist: Niemand soll frieren, Privathaushalte brauchen besonderen Schutz“, sagt Andreas Jung von der CDU, selbst Mitglied im Ausschuss für Klimaschutz und Energie im deutschen Bundestag.
„Wir brauchen einen Interessenausgleich, der den kleinstmöglichen gesellschaftlichen Schaden bewirkt. Niemand soll in einer kalten Wohnung sitzen müssen“, fordert auch Andreas Lenz (41, CSU) aus dem Ausschuss für Klimaschutz und Energie. Deshalb brauche man schnellstmöglich „ein Konzept, wie welche Mengen des Erdgases aus Russland durch welche Ersatzmaßnahmen ausgeglichen werden können“.
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