Neues Triage-Gesetz: Heftige Kritik an Lauterbach

Der Gesundheitsminister steht vor einer schwierigen Entscheidung. Soll es zu einem Abbruch einer Behandlung kommen, wenn ein anderer Patient eine höhere Überlebenschance hat? Besonders der Schutz von Behinderten sollte dabei besser geregelt werden, mahnen Kritiker an.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat einen neuen Gesetzentwurf für die sogenannte Triage vorgelegt. Dieser soll im Falle eines Versorgungsengpasses, etwa einer Pandemie, die Behandlungskapazitäten regeln. Die Grünen und die Stiftung Patientenschutz haben diese Vorlage heftig kritisiert.

Gegenüber den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland sagte die Grünen-Politikerin Corinna Rüffer, der Staat käme mit diesem Entwurf seiner Schutzpflicht nicht im Geringsten nach. „Behinderte Menschen würden nach wie vor Gefahr laufen, aufgrund ihrer Behinderung von einer intensivmedizinischen Behandlung ausgeschlossen zu werden.“ Es sei ein trauriges Kapitel, dass Lauterbach die sogenannte Ex-Post-Triage wieder in den Entwurf aufgenommen hat. Dies wäre ein Abbruch der Behandlung an einem Patienten, wenn ein anderer bessere Chancen auf eine erfolgreiche Genesung hat. „Das hieße, Schwerkranke müssten im Krankenhaus permanent mit der Angst leben, dass die medizinisch notwendigen lebenserhaltenden Maßnahmen zugunsten einer anderen Person beendet wird.“

Niemandem sei diese Situation zuzumuten, so Rüffer. Auch die behandelnden Ärztinnen und Ärzte sollten nicht vor die Gewissensentscheidung gestellt werden. Juristisch ist eine Ex-Post-Triage zudem höchst umstritten, eine Bewertung als Totschlag sei dabei nicht ausgeschlossen. Die Bundestagsabgeordnete, die für die Behindertenpolitik zuständig ist, beklagte zudem, ein Sechs-Augen-Prinzip, wie es Lauterbach und sein Kollege aus dem Justizministerium, Marco Buschmann, vereinbart hätten, mache die Sache nicht besser.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in der Vergangenheit eine Neuregelung zur Triage verlangt. Mit dieser soll es dann möglich sein, bei reduzierten Kapazitäten intensivmedizinische Behandlungen Menschen mit einer höheren Überlebenschance zukommen zu lassen. Möglich soll dies werden, wenn zumindest drei Fachärzte, die über intensivmedizinische Erfahrung verfügen, eine gemeinsame Entscheidung treffen.

Genauere Kriterien fordert Eugen Brysch, Vorstand der Stiftung Patientenschutz an. „Der Auftrag des Bundesverfassungsgerichts, Behinderte bei Triage-Entscheidungen besser zu schützen, wird durch die Übertragung der Entscheidung an drei Privatpersonen keinesfalls erfüllt“, sagte er gegenüber der Nachrichtenagentur AFP mit Blick auf die vorgesehene Entscheidung dreier Ärzte. „Dreimal subjektiv wird nicht einmal objektiv.“

Daher sei es dringend notwendig, dass der Gesetzgeber konkrete Vorgaben und Kriterien formuliert, um solche Entscheidungen sicher treffen zu können. „Sich hier wegzuducken wird zu einer harten ethischen Auseinandersetzung führen.“