Die Pläne der EU treffen Tierhalter und Tierärzte knüppelhart. Eigentlich soll das neue Gesetz Menschenleben retten, doch für zahlreiche Kleintiere bedeutet es den sicheren Tod.
Tierärzte schlagen Alarm wegen der EU-Tierarzneimittelverordnung 2019/6, die 2022 in Kraft treten soll. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass bestimmte Antibiotika nur noch für Menschen zum Einsatz kommen sollen, um die Entstehung von resistenten Bakterien zu verhindern. Tierärzte protestieren nun gegen diese Pläne, weil auch zahlreiche Krankheiten von Haustieren nur mit diesen Antibiotika behandelt werden können.
Ziel der Verordnung ist es, dass vor allem Tiere in Mastbetrieben nicht mehr mit sogenannten Reserve-Antibiotika behandelt werden. Denn genau hier breiten sich seit Jahren Antibiotikaresistenzen aus. Doch die Tierärzte sind besorgt, dass der Gesetzesentwurf bislang nicht zwischen Einzel- und Gruppentierhaltung unterscheide. Tierärzte befürchten deshalb, dass sie nächstes Jahr auch Haustiere nicht mehr behandeln können. Insbesondere Nagetiere wie Kaninchen oder Mäuse aber auch Reptilien werden häufig mit Reserveantibiotika behandelt. Fällt diese Möglichkeit weg, können die Tierärzte nichts für ihre vierbeinigen Patienten tun, was in vielen Fällen einem Todesurteil gleichkommt.
Der EU-Parlamentarier Martin Häusling (Grüne), der sich für die Verschärfung der Verordnung eingesetzt hatte, wies die Vorwürfe von sich. Er betonte auf einer Pressekonferenz am 2. September, dass Haustiere nicht betroffen wären. Sein Antrag unterscheide zwischen Masttieren und Haustieren. Die Tierärzte zweifeln an dieser Zusicherung, denn die Tierarzneimittelverordnung unterscheide eben nicht zwischen Einzel- und Gruppenhaltungen, heißt es in Berichten der Gegenseite. Das Gesetz müsste erst umgeschrieben werden und es sei unrealistisch, dass das bis Januar 2022 geschehe.
Auch auf der Website des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit wird nicht zwischen Haus- oder Kleintierhaltung und Massentierhaltung unterschieden. Doch davon abgesehen, gibt es auch viele Tierärzte, die mit der Antibiotika-Vergabe an Masttiere ihr Geld verdienen.
Letztlich geht es bei dem Streit aber um die Entscheidung zwischen Mensch- und Tiergesundheit. Denn die WHO (Weltgesundheitsorganisation) stuft genannte Antibiotika als absolut notwendig ein. Wenn sie nicht mehr gegen Bakterien wirken, werden viele Krankheiten tödlich verlaufen, die heute problemlos behandelbar sind – und zwar beim Menschen.
https://twitter.com/FAZ_Wirtschaft/status/1433803791640432641?ref_src=twsrc%5Etfw
Die WHO rechnete 2019 ein Horrorszenario aus. Demnach werde die Zahl resistenter Bakterien weiter in die Höhe schnellen, wenn die Rahmenbedingungen nicht geändert werden. Im Jahr 2050 müsse man mit jährlich 10 Millionen Todesfällen durch resistente Erreger rechnen, so die WHO.
Schon 2019 wies die WHO daraufhin, dass unkontrollierbare Ausbrüche mit tödlichen Krankheitserregern extreme, wirtschaftliche Konsequenzen mit sich bringen können. Ein Jahr später sollte die Corona-Pandemie diese Prognose bestätigen: 2020 wurden 4,5 Millionen Todesopfer durch Covid-19 erfasst. Die weltwirtschaftlichen Gesamtergebnisse schrumpften um 3,6 Prozent. In Deutschland sackte das BIP um 4,9 Prozent ein.
Mit der Nutzung unserer Webseite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden.